Fast jeder Mensch gerät im Laufe seines Lebens in Situationen, in denen es ihm schwer fällt, sich zu entscheiden. In diesem Artikel stelle ich Ihnen fünf Tipps aus dem Entscheidungscoaching vor. Diese fünf Hinweise können Ihnen helfen, Ihre Entscheidung leichter und schneller zu treffen.
Ganz sicher.
Gerade noch war er sich ganz sicher gewesen.
Ganz sicher, die richtige Entscheidung zu treffen.
Aber ganz schnell zweifelte er bereits wieder daran. Seine Überlegungen erschienenen ihm plötzlich absurd und unlogisch.
„Unmöglich! Ich kann mich einfach nicht entscheiden“ schoss es Steffen D. durch den Kopf.
So wie Steffen D. geht es vielen Menschen. Fast jeder steht in seinem Leben mehrmals vor der Situation, dass ihn eine Entscheidung quält. Die Gedanken laufen Amok. Es erscheint nicht nur schwer, sondern unmöglich, eine Entscheidung zu treffen.
Der häufigste Grund dafür ist, dass die Entscheidungsfindung nicht zielführend gestaltet wurde. In der Entscheidungspsychologie haben sich – besonders bei schwierigen Entscheidungsprozessen – 5 typische Hindernisse herausgestellt. Diese Hindernisse führen dazu, dass man den Eindruck hat „Ich kann mich einfach nicht entscheiden.“
Beachten Sie daher die folgenden Punkte, wenn Sie eine gute und konsequente Entscheidung treffen möchten:
Tipp 1: Vermeiden Sie den „Liking-Effect“
Bei schwerwiegenden Entscheidungen beziehen viele Menschen gerne ihr Umfeld mit ein. Sie reden mit Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen und holen sich so Rat und eine Einschätzung aus anderer Perspektive. Und oftmals bekommen sie dann auch einen Ratschlag, wie sich der Gesprächspartner entscheiden würde.
Manchmal sind auch andere Personen direkt von der eigenen Entscheidung betroffen. Die finanziellen Konsequenzen für die Familie bei einem Berufswechsel zum Beispiel oder der Umzug in eine andere Stadt. Dann sind die Gesprächspartner nicht nur unabhängige Ratgeber, sondern Betroffene.
Natürlich ist es wichtig nicht nur an sich selbst zu denken und die Auswirkungen auf andere betroffene Personen ebenfalls zu berücksichtigen. Wenn jedoch die Wünsche und Erwartungen anderer überhand nehmen und wir nicht mehr zwischen diesen und unseren eigenen Motiven unterscheiden können, wird es problematisch. Ebenfalls, wenn wir Angst vor Kritik anderer haben und daher den Weg des geringsten Widerstands gehen – wider unserer eigenen Wünsche.
Sind die eigenen Überlegungen zu sehr von den Wünschen des Umfelds abhängig, nennt man das den „Liking-Effect“. Dies kann schnell zu einer Entscheidungsblockkade führen und dem Gefühl „Ich kann mich nicht entscheiden“.
Deshalb: Machen Sie sich bewusst, welche Personen in Ihrem Umfeld wichtig sind für Ihre Entscheidung:
- Auf wen wollen Sie Rücksicht nehmen?
- Wer versucht (ungefragt), Ihre Entscheidung zu beeinflussen?
- Wer beeinflusst Sie ganz unbewusst?
Und dann machen Sie sich klar, welche dieser äußeren Einflüsse Sie berücksichtigen wollen und welche nicht.
Tipp 2: Nehmen Sie wirklich alle Alternativen in den Blick
Oft sehen wir in Entscheidungssituationen nur zwei Möglichkeiten, zum Beispiel:
- „Entweder behalte ich meinen derzeitigen Job oder ich mache mich selbständig“
- „Entweder mache ich die Ausbildung zum Zimmermann oder ich studiere Maschinenbau“
- „Entweder trenne ich mich von meinem Partner oder ich bleibe bei ihm“
Im Entscheidungscoaching hat es sich bewährt, nach weiteren Alternativen zu suchen – auch wenn diese auf den ersten Blick nicht zu sehen sind. Häufig entdeckt man mit Hilfe von kreativen Methoden weitere Möglichkeiten, die aus der „Ich-kann-mich-nicht-entscheiden-Blockade“ herausführen. Denn oftmals bieten diese Alternativen Vorteile, die man zuvor nicht in Erwägung gezogen hatte. Im obigen Fall könnte dies zum Beispiel sein:
- Den derzeitigen Job erst einmal zu behalten und sich nur nach und nach nebenberuflich selbständig zu machen
- Die Ausbildung und das Studium nicht getrennt voneinander betrachten, sondern sich auf die Suche nach einem dualen Studium zu machen oder das Studium für die Zeit nach der Ausbildung zu planen
- Die Beziehung nicht zu beenden, aber dieser z.B. durch getrennte Wohnungen etwas Raum zu verschaffen und dadurch die Möglichkeit, sich neu zu entfalten.
Wer seiner Phantasie einmal freien Lauf lässt, kommt häufig auf weitere Alternativen. Einiges davon wird nicht unbedingt realistisch sein, aber genauso oft findet man auch die Möglichkeit einer alternativen Lösung, die zu mehr Zufriedenheit führt.
Nehmen Sie sich also Zeit und werden Sie kreativ: Welche Alternativen sind noch denkbar? Schreiben Sie alles auf, auch wenn es erstmal ganz absurd erscheint. Auswerten können Sie es dann am Ende.
Tipp 3: Machen Sie sich klar, dass Sie einen Preis zahlen müssen
Für jede schwere Entscheidung gilt: Ganz egal, wie wir uns entscheiden; es gibt immer Vor- und Nachteile. Wenn wir uns für Variante A entscheiden, müssen wir auf die Vorteile aus Variante B verzichten – und andersherum. Jede Entscheidung hat also ihren Preis. In der Fachsprache nennt man das die „Opportunitätskosten“
Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind. Entscheidungsblockaden rühren oft daher, dass wir innerlich nicht bereit sind, diesen Preis zu bezahlen und immer weiter nach Lösungen suchen, für die wir auf keine Vorteile verzichten müssen: Eine Lösung, die nichts kostet und nur Vorteile bringt. Doch die gibt es nur in absoluten Ausnahmefällen.
Deshalb: Machen Sie sich klar, dass Sie einen Preis bezahlen, also Nachteile in Kauf nehmen müssen – egal wie Sie sich entscheiden.
Tipp 4: Beziehen Sie sowohl Intuition als auch rationales Denken mit ein
Bauchgefühl und rationales Denken schließen sich gegenseitig nicht aus.
Natürlich ist es dass wir eine Vorliebe für eines dieser beiden Systeme haben. So verlassen wir uns dann vorrangig auf vernunftbasiertem Denken und Abwägen oder aber auf das Bauchgefühl, der Intuition und das Achten auf Emotionen.
Wenn wir aber genauer hinsehen, können wir erkennen, dass sich rationales Denken und intuitive Entscheidungen keineswegs gegenseitig ausschließen; sondern lediglich unterschiedliche Formen der Entscheidungsfindung sind, die nebeneinander existieren und unser Denken bestimmen. Daher: Nutzen Sie beide Formen als Ressource und beziehen Sie beide Varianten in Ihre Entscheidungsfindung mit ein. Wenn wir eine Form übergehen oder „wegdrücken“, dann wird das zwangsläufig über kurz oder lang zu Unzufriedenheit führen und zu dem „Ich-kann-mich-nicht-entscheiden-Gefühl“. Denn die jeweils andere Seite in uns wird sich immer wieder zu Wort melden und unsere Entscheidung sabotieren.
Tipp 5: Gestalten Sie die Entscheidungsfindung als Prozess und überstürzen Sie nichts
„Eine gute Entscheidung muss reifen.“
In dieser Formulierung steckt viel Wahrheit. Eine überlegte Entscheidung sowie die Abwägung und Beachtung verschiedener Aspekte braucht eine gewisse Zeit.
Es ist leichter gesagt als getan: Geben Sie sich Zeit und versuchen Sie eine Phase des Nicht-Wissens, wie Sie sich entscheiden auszuhalten. Am besten geben Sie sich einen klar definierten Zeitraum, zum Beispiel zwei Wochen. Gestehen Sie sich selbst zu, in diesem Zeitraum nicht zu wissen, wie Sie sich entscheiden.
Aber nutzen Sie die Zeit, um sich strukturiert mit Ihrer Entscheidung zu beschäftigen. Also: Holen Sie alle benötigten Informationen ein, prüfen Sie Alternativen, erweitern Sie Ihre Entscheidungsmöglichkeiten und machen Sie sich klar, dass Sie einen Preis zahlen müssen (siehe oben).
Verstehen Sie mich nicht falsch: In den seltensten Fällen ist es möglich, eine Entscheidung mit 100%iger Sicherheit zu treffen. Und natürlich macht es keinen Sinn, einen Entschluss immer wieder hinauszuzögern und den Prozess unnatürlich in die Länge zu ziehen. Dennoch ist auch Ungeduld ein schlechter Ratgeber. Nur wenn im Entscheidungsprozess unterschiedliche Aspekte beachtet und verschiedene Szenarien durchgespielt wurden und die Nachteile der getroffenen Entscheidung ganz bewusst in Kauf genommen werden, kann erfahrungsgemäß eine Entscheidung von dauerhafter Konsequenz getroffen und die Entscheidungsblockade überwunden werden.
Schreibe einen Kommentar