Für den YouTube-Kanal gemeinsam inklusiv hat Katja Efinger ein Interview mit Oliver Teufel geführt. Wir dokumentieren das Interview in Auszügen.
Gelungene Entscheidungsprozesse
Katja Efinger: Was sind für Sie als Entscheidungscoach gelungene Entscheidungsprozesse?
Oliver Teufel: Schwierige Entscheidungssituationen sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass man innerlich ein richtiges Gedankenkarussell hat: Ich frage mich: „Soll ich das machen? Oder soll ich das Andere anstreben? Oder doch lieber die dritte Alternative?“ Man fühlt sich in solchen Situationen häufig innerlich zerrissen, liegt vielleicht nachts wach und denkt die ganze Zeit „Ich kann mich einfach nicht entscheiden!„.
Ein gelungener Entscheidungsprozess ist es dann, wenn ich wirklich raus komme aus diesem Gedankenkarussell. Wenn ich weiß: Ich habe es gründlich durchdacht. Alles, was irgendwie möglich ist, habe ich berücksichtigt. Ich schiebe die Entscheidung nicht länger hinaus. Mir ist bewusst, dass diese Entscheidung einen Preis kostet. Und ich nehme auch Abschied von den anderen Alternativen. Ich bin entlastet und klar.
Entscheidungen als Liebesbeziehungen
K.F.: Die Philosophin Ruth Chang rät: „Gehen Sie eine Liebesbeziehung mit Ihren Entscheidungen ein!“ – Wie ist das zu verstehen und was halten Sie davon?
O.T.: Ich verstehe diesen Rat von Ruth Chang so: Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, dann ist es ratsam, sich auch ganz auf diese Entscheidung einzulassen – wie bei einer Liebesbeziehung. Ich sollte dann nicht mehr überlegen: Ach hätte ich doch die andere Alternative gewählt. Sondern ich sollte mich mit Haut und Haar auf diese Variante einlassen, also mit dieser Variante eine Liebesbeziehung eingehen.
Da ist viel dran. Und das ist wichtig. Denn gerade bei schwierigen Entscheidungen ist es natürlich so, dass für beide Seiten vieles spricht. Und wenn ich mir immer wieder vor Augen führe, was eigentlich für die andere Alternative gesprochen hätte, dann werde ich irgendwann wahnsinnig.
Für mich ist es aber auch noch wichtig, dass die getroffene Entscheidung nach einem angemessenen Zeitraum überprüft wird. Deshalb empfehle ich im Entscheidungscoaching meinen Klientinnen und Klienten, klare Überprüfungszeitpunkte einzubauen. Das heißt zum Beispiel nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, ein Self-Commitment einzugehen und mit sich selbst zu vereinbaren: Ein halbes Jahr ziehe ich das jetzt durch zum Beispiel. Und erst dann werde ich die Entscheidung überprüfen.
Angst vor Entscheidungen
K.F.: Viele Menschen haben Angst davor, eine Entscheidung zu treffen, die Ihnen bevorsteht. Was können diese Menschen tun?
O.T.: Wenn ich Angst davor habe, eine bevorstehende Entscheidung zu treffen, dann ist es aus meiner Sicht erst einmal wichtig, diese Angst ernst nehmen. Ich sollte diese Angst nicht wegdrängen, sondern in einem ersten Schritt akzeptieren. Denn: Diese Angst kann ein wichtiger Hinweis sein. Vielleicht auch eine Erinnerungshilfe, worauf ich achten sollte.
Und in einem zweiten Schritt sollte ich mir die Angst vor der Entscheidung dann anschauen und sie analysieren. Ich habe ja genau genommen nicht vor der Entscheidung an sich Angst, sondern vor den Konsequenzen der Entscheidung. Also vor dem, was danach kommt: Zum Beispiel: Wie werden die anderen Leute reagieren? Was sagt meine Familie, was halten meine Freunde von dieser Entscheidung? Oder ich habe Angst davor, wie es wirtschaftlich weiter geht: Werde ich genug Geld verdienen? Bei einem Arbeitsplatzwechsel kann es die Angst sein, dass die neuen Kolleginnen und Kollegen nicht nett sind. Da gibt es viele Überlegungen und Vorstellungen, die Angst machen können.
Es ist sehr wichtig, sich diese Vorstellungen genau anzuschauen:
Sind das berechtigte Befürchtungen? Dann kann ich eine Strategie zum Umgang damit entwickeln. Oder ich kann mich auch entscheiden, mich nicht von dieser Angst leiten zu lassen. Und manchmal stelle ich auch fest, dass die angsmachenenden Vorstellungen recht unrealistisch sind.
Sinn und Unsinn eines Plan B
K.F.: Sollte ich denn einen Plan B haben – für den Fall, dass etwas schief geht mit der Entscheidung, die ich getroffen habe?
O.T.: Das lässt sich gar nicht so leicht beantworten, weil es an der konkreten Entscheidungssituation hängt.
Grundsätzlich würde ich sagen: Der Vorteil von einem Plan B ist, dass ich gut mit meinen Sorgen und Ängsten umgehen kann. Ich weiß: Wenn die schlimmsten Befürchtungen eintreten, dann kann ich immer noch Plan B umsetzen.
Der Nachteil oder die Gefahr von Plan B ist, dass ich den Plan B ständig im Hinterkopf habe und überlege, ob ich nicht doch Plan B statt Plan A umsetzen soll.
In einem Entscheidungscoaching-Prozess steht deshalb meist am Ende ein klares Self-Commitment meiner Klientinnen und Klienten: Es gibt ein Plan B für den Notfall. Aber es gibt auch die Vereinbarung, dass sie für einen festgelegten Zeitraum mit aller Energie an Plan A arbeiten und dann erst nach drei oder sechs Monaten schauen, wo sie stehen und überlegen, ob Plan B überhaupt gebraucht wird.
Intuition und rationales Denken
K.E.: Was kann ich in einem Entscheidungsprozess tun, wenn mein Bauch zu einer Alternative „Ja“ sagt und der Kopf aber „Nein“ sagt?
O.T.: Kopf und Bauch oder anders gesagt Intuition und rationales Denken sind zwei unterschiedliche „Systeme“, die wir zur Verfügung haben, um die richtige Entscheidung zu treffen. Um eine gute Entscheidung zu treffen brauche ich beides.
Ein guter, gelungener Entscheidungsprozess führt dazu, dass ich genau diesen Widerstreit zwischen Intuition und rationalem Denken auflösen kann. Gerade bei schweren Entscheidungen kann das einige Zeit dauern. Wichtig dabei ist es, beide Systeme als Ressource zu verstehen.
Die Bedeutung von persönlichen Entscheidungen
K.E.: Was bringen uns persönliche Entscheidungen?
O.T.: Manchmal wird gesagt: Unser Leben ist das Resultat der Entscheidungen, die wir getroffen haben. Das ist vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber gar nicht nur falsch.
Ich würde sagen, Entscheidungen prägen unser Leben und geben uns die Möglichkeit, eine Richtung in unserem Leben zu bestimmen. Und es ist meiner Ansicht nach wichtig, die Entscheidungen, die anstehen auch aktiv zu treffen. Denn man muss sich klar machen: Keine Entscheidung zu treffen oder eine Entscheidung vor sich her zu schieben, das ist auch eine Entscheidung. Und zwar oft eine knallharte Entscheidung.
Ich verwende gerne folgendes Beispiel: Wenn ich auf dem Bahnhof in Frankfurt stehe und mich nicht entscheiden kann, ob ich in den Zug nach München oder in den nach Hamburg steigen soll, dann kann es passieren, dass beide Züge ohne mich wegfahren. Das Resultat: Ich bleibe in Frankfurt. Auch das ist eine Entscheidung. Und das kann eine gute Entscheidung sein. Aber besser ist es immer, eine solche Entscheidung auch wirklich aktiv zu treffen und nicht nur auf mich zukommen zu lassen.
Entscheidungen aktiv zu treffen bedeutet deshalb: Das, was ich in diesem Leben beeinflussen kann, das gehe ich aktiv an. Und daran kann ich wachsen.
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